Kürzlich wurde meine kleine Nichte in einem wunderschönen, stimmigen Gottesdienst gesegnet. Zur Feier des Tages luden mein Bruder und seine Frau die gesamte Familie ein, um die Segnung in einem Restaurant zu zelebrieren. Das Restaurant, eines der Lieblingsrestaurants der beiden, bot zwei verschiedene Speisekarten an. Eine Vegane und eine für Fleischliebhaber. Wir Gäste wurden angehalten, vorgängig einen Blick auf die Karten zu werfen und Speisen auszuwählen, damit die hungrigen Kindermäuler nach dem Gottesdienst zeitnah gestopft werden können. Also wühlten wir uns mit unseren Kindern bereits auf der Hinfahrt leicht überfordert durch Quinoa Hackbällchen, vegane Mango-Frischkäse Cordon Bleus und hunz kommune Schnipos. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude!
Diese Freude wurde dann allerdings etwas getrübt, als sich beim Bestellen herausstellte, dass einige der ausgewählten Speisen gerade nicht verfügbar waren und man auf andere Menüs ausweichen musste.
Das Essen war schlussendlich super lecker, ich möchte mich auf keinen Fall beklagen! Und doch ging mir dieses Ereignis nicht mehr ganz aus dem Kopf. Das Restaurant wollte möglichst breite Bedürfnisse erfüllen und allen gerecht werden. Mit der Zeit gehen. In der Theorie (beziehungsweise auf der Speisekarte), ging dieses Konzept wunderbar auf. Das Angebot war riesig und vielfältig. Es bot für Gross und Klein, Vegi und Fleischesser, eine bunte Auswahl. Und doch schien dies in der praktischen Umsetzung nicht ganz so gut zu gelingen.
Wäre hier weniger vielleicht sogar mehr gewesen?
Meine Speisekarte
Wie oft widerspiegle ich in meinem Sein genau dieses Restaurant?
Denn auch ich möchte es möglichst allen Menschen recht machen. Viel unter einen Hut bringen. Ich versuche, ein breites Angebot an Gaben und Verfügbarkeiten an den Tag zu legen. So, dass niemand Anstoss nehmen kann. Und scheitere dann eben doch regelmässig.
Aber weshalb meine ich denn überhaupt, ich müsse so ein riesiges Angebot an Gaben bereithalten? Wohl unter anderem aus einer Angst heraus, Menschen (mich inklusive) zu enttäuschen… Und nicht zu genügen.
Wäre es dabei nicht besser, sich den eigenen Grenzen bewusst zu stellen und sie ins Leben zu integrieren? Klar zu definieren: ja, das bin ich. Und das kann ich. Aber etwas anderes bin ich wiederum nicht. Und das kann ich auch nicht. Das muss nicht auch noch auf meiner Lebens-Speisekarte stehen. Und das ist total ok.
Lange Zeit meinte ich zum Beispiel, dass ich als gute Pfarrfrau mit vier eigenen Kindern, zwangsläufig in der Kinderarbeit unserer Gemeinde aktiv sein müsse. Obwohl dies weder meinen Gaben entspricht und mir ehrlich gesagt auch nie Freude bereitete. Im Gegenteil. Vor jedem Kinderprogramm, das ich leitete, war ich schlecht gelaunt und schlief nicht gut, weil ich innerlich überfordert war. Es brauchte viel, bis ich mir und anderen gegenüber eingestehen konnte, dass es Sinn macht, Kinderarbeit aus meinem Angebot zu streichen.
Paulus schreibt den Galatern:
Jeder achte genau auf sein eigenes Leben und Handeln, ohne sich mit anderen zu vergleichen. (Galater 6,4)
Dieser Satz im Kontext ist als Warnung zu verstehen und nicht einfach als Wohlfühl-Vers.
Es ist wichtig, dass wir ehrlich sind zu uns. Und Verantwortung für unsere Leben und unser Handeln übernehmen.
Ich muss nicht Dinge «im Angebot» haben, nur weil andere dies tun. Auch muss meine Speisekarte nicht so exklusiv sein, wie die meiner Freundin. Ich darf mich «spezialisieren» und nur wenig anbieten. Solange ich damit meinen Teil aktiv dazu beitrage, dass Leben gelingt.
IN-N-OUT Burger
Als wir vor ein paar Jahren durch die USA reisten, besuchten wir die bekannte Burger Kette «IN-N-OUT Burger». Im Gegensatz zu anderen Fastfood Riesen, bietet «IN-N-OUT» gerade mal drei verschiedene Burger an. That’s it. Keine fancy, hippen Neukreationen. Sie haben seit Jahren dasselbe Menü. Und wisst ihr was? Dies war einer der besten Burger, den wir je gegessen hatten. Diesen Mut, nicht mit der Konkurrenz mitzuziehen, sondern treu zu der eigenen Philosophie zu stehen, hat mich beeindruckt.
Ich möchte den Mut haben, mehr wie IN-N-OUT Burger zu sein. Ich muss nicht alles abdecken. Sei es bei meinen Kindern, meinen Freundinnen, oder meiner Arbeit. Es gibt auch andere Menschen, die Gott gebrauchen kann, um meine Mängel auszufüllen. Die zum Beispiel mit meinen Kindern basteln. Oder mit meinen Freundinnen lange Telefongespräche führen. Dinge, die ich (leider) nicht fix auf meiner Speisekarte führe. Dafür bin ich zu haben für tiefe Gespräche im 1:1. Und für Jogging Runden. Und wenn ich Saisonal dann doch mal im Kindergottesdienst einspringe, oder das Deko Team für die Konfirmation anleite, dann darf auch das sein.
Aber ich möchte mehr und mehr lernen, in meinen Gaben zu laufen. Mich dabei selbst immer besser kennen zu lernen.
Herausfinden, was genau meine Spezialität ist und dann dazu stehen.
Mich mit Herzblut darin investieren. Und dabei nicht meinen, ich müsse alles andere auch noch in meine Lebens-Speisekarte integrieren, nur damit es besser klingt und alle Menschen etwas an mir finden, das sie mögen.
Ich bin was ich bin. Nicht mehr, nicht weniger. Und das ist gut so.
«Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiss ich wohl.» (Psalm 139,14)
Janine Oesch
verheiratet, Jg. 1982, 4 Kinder, wohnhaft in Horw, Familienmanagerin, Bloggerin, Seelsorgerin. www. letsflourish.ch
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