Die Kompetenz des Scheiterns
- Gisella Bächli
- 3. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Gott ist Liebe – und ein Meister darin, aus Zerbrochenem etwas Kostbares zu seiner Ehre zu schaffen. Wie bei einem Kintsugi (einer alten japanischen Kunstform) sind wir in den Händen des Töpfers (vgl. Jes 64,7). Kintsugi ist eine aufwendige Reparaturtechnik, bei der gebrochene Keramik mit Gold wieder zusammengesetzt wird – und so zu Einzigartigkeit und Schönheit gelangt. Aus den Bruchstücken unseres Lebens formt Gott ein neues Ganzes. Die «Lebens-Narben» werden – edel und sorgfältig – wiederhergestellt: ein lebenslanger Prozess, dessen Vollendung in der Ewigkeit gefeiert wird – und schon heute dürfen wir immer wieder einen Vorgeschmack davon erleben (vgl. 1 Kor 13).

Scheitern ist eine Chance zum Lernen, wenn wir ihr den Beigeschmack der «Katastrophe» nehmen. Denn Scheitern ist menschlich und unvermeidbar: unsere Grenzen, unsere Unmöglichkeiten, unsere Ungeduld, unsere oft so armselige Liebe – sowohl uns selbst als auch dem Nächsten gegenüber –, unsere unerfüllten Wünsche oder schmerzvollen Erfahrungen. Wir wissen hoffentlich im Herzen: Gott liebt uns und ist für uns. Seine teure Gnade können wir nur dankbar annehmen, denn sie ist und bleibt unverdient. Nichts kann uns von Gottes Liebe trennen (vgl. Röm 8,38–39) und ihm ist nichts zu klein oder zu gross, als dass er sich dessen nicht annimmt – oft jedoch ganz anders, als wir es uns vorstellen (vgl. Jes 55,8).
Gott verspricht, da zu sein: im Tränen- und im Freudental. Und was er verspricht, das hält er (vgl. Hebr 10,23). Wir sehnen uns nach Sicherheiten und Vollkommenheit auf Erden – und an manchen Tagen sind sie greifbar nahe. Doch wir leben in der Zwischenzeit vom «Schon jetzt» und «Noch nicht». Dazwischen wächst unser Gottvertrauen.
Humor ist ein Schlüssel auf diesem Weg. Denn Humor haucht der Hoffnung Leben ein. Und: «Wo Glaube ist, da ist auch Lachen», sagte Martin Luther. Wir sind Befreite – befreit von den hohen (Selbst-) Ansprüchen und Anforderungen, mehr sein zu wollen – und leben oder ringen um die tiefe Gewissheit, geliebte Töchter zu sein (Wachstum im echten Sein vs. Scheinen). Manchmal stehen wir uns sogar gegenseitig im Weg – durch Vergleichsdenken. Wir müssen achtsam sein, nicht in die Schamfalle zu geraten, wenn wir den zu hohen Erwartungen nicht genügen: «Sei immer gut gelaunt und wirke nicht gestresst. Sei gut im Loslassen und halte alles unter Kontrolle. Sei gepflegt, geduldig, engagiert, authentisch, demütig, nicht zu emotional, multifunktional und gutaussehend.
Sei ‚makellos‘ in deinen unterschiedlichen Rollen und in den dazugehörigen Aufgaben: Sei eine super Frau, super Mutter und Ehefrau, super Schwiegertochter, super Freundin, super Nachbarin (…) – ja, ein super Naturtalent, und lass es so wirken, als sei alles mit links zu erledigen.»
Der nie zu erfüllende Erwartungsdruck kann durchbrochen werden, wenn wir uns selbst und anderen mit Barmherzigkeit begegnen (vgl. Mk 12,29–31) – und das Ganze mit einem Augenzwinkern und einer Prise Leichtigkeit annehmen, die uns von der Last der Perfektion freimacht und uns in ein Leben der Exzellenz einladen (mein Bestes genügt).
Humor ist die Alltagskunst, unser Scheitern zu umarmen und als Teil unseres Menschseins zu akzeptieren. Unzertrennlich damit verbunden sind Mut und Demut. Humor will weder etwas produzieren noch erzwingen, sondern öffnet das Herz und lässt sich beschenken. Humor ist eine Grundhaltung dem Leben gegenüber – und je grösser die Probleme, desto wichtiger diese Ressource.
«Humor ist eine Gabe, ein Geschenk des Himmels – und äusserst vielfältig. Für mich reiht sich Humor nahtlos in die Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung ein. Mit diesen Tugenden können wir eine bessere Welt schaffen. Humor ist eine Einstellung und Haltung, eine Charaktereigenschaft und Stärke. Wer sich den Schwierigkeiten des Lebens mit Humor entgegenstellt, handelt in einer Form der Weisheit.» (Gutmann, J., 2016. Humor in der psychiatrischen Pflege)
«Herr, du machst wahrhaftig alle unsere Unmöglichkeiten zu deinen Möglichkeiten. Lehre uns die Kunst des Scheiterns, indem wir unsere Stärken und Schwächen bejahen und eine neue Perspektive gewinnen – während unser Herz vertraut, dass du uns sicher zum Ziel führst und unterwegs den Tisch grosszügig bereitest (vgl. Ps 23).»
Gott segne dich.
Herzliche Grüsse und arrivederci, Gisella

Gisella Bächli ist verheiratet und «mamma italiana» von zwei erwachsenen Kindern.
Sie arbeitet als Theater- und Sozialpädagogin in der Erwachsenenbildung und ist mit ihrer Selbstständigkeit la vita è bella sowie ihrer Aufgabe als pflegende Angehörige tätig.
Gisella Bächli wird Referentin am FRAUENzeit-Jahrestag 2026 sein (30. Mai 2026)!
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