top of page
  • Instagram
  • Facebook

Das beste Geschenk!

Perplex schaut eine Freundin auf das Schild, welches vor dem Blumengeschäft angebracht ist. «Hier beginnt die Frust-freie-Zone. Wir sind nicht die Blitzableiter.» Darauf angesprochen erzählt ihr die Verkäuferin, was sie und ihre Kolleginnen in der aktuellen Adventszeit abbekommen an Unmut von KundInnen. Ich kann kaum glauben, dass dies in einem schönen Blumengeschäft in einer Schweizer Kleinstadt Realität ist. 


ree

Da scheint in Menschen einiges am Brodeln zu sein, was zwischendurch rausbricht. Und das kenne ich auch in meinem Leben: Unangenehme Emotionen, die nicht wie gewünscht unter der Oberfläche bleiben sondern ab und zu aufpoppen – gerade auch in der Adventszeit, wo ich es gerne besonders friedlich hätte! Aber eigentlich gibt es dafür keinen besseren Zeitpunkt. Wenn nicht in der Weihnachtszeit, wann sonst darf Belastendes an die Oberfläche kommen und thematisiert werden?


Mischa, ein kleiner Waisenjunge aus Russland, weiss, was es heisst, Schmerzhaftes zu erleben. Aber da passiert was Entscheidendes: Aufgrund von Weihnachten kommt er mit jemandem ins Gespräch über seine Sehnsucht und seinen Schmerz. Und sein Leben verändert sich. Für immer!


Die Geschichte* aus dem Jahr 1994 berichtet von zwei Amerikanern, die von der russischen Regierung eingeladen wurden um an öffentlichen Schulen Unterricht auf der Grundlage biblischer Prinzipien zu erteilen. Nebst anderen Institutionen durften sie auch in einem grossen Waisenhaus lehren. So kam es, dass Waisenkinder zum ersten Mal die Weihnachtsgeschichte hörten. Die Mitarbeiter erzählten ihnen, wie Maria und Josef nach Bethlehem kamen und in der Herberge kein Raum für sie war, wie Jesus in einem Stall geboren und in eine Futterkrippe gelegt wurde. Sowohl die Kinder als auch das Waisenhauspersonal hörten atemlos zu.


Anschliessend ans Erzählen der Geschichte erhielt jedes Kind drei kleine Stücke Karton, aus denen es eine einfache Krippe basteln sollte. Dazu bekam es ein kleines, rechteckiges Stück von einer gelben Papierserviette, die die Mitarbeiter mitgebracht hatten, denn farbiges Papier war in der ganzen Stadt nicht erhältlich. Die Kinder rissen dieses in schmale Streifen, die als Stroh in die Krippe gelegt wurden. Kleine, quadratische Flanellstücke aus einem alten Nachthemd, das eine Frau weggeworfen hatte, als sie Russland verliess, dienten als Decke für das Baby. Eine Babyfigur wurde aus hellbraunem Filz ausgeschnitten.


Die Waisenkinder waren eifrig damit beschäftigt, ihre Krippe zusammenzubauen und die Lehrer schauten, ob eines der Kinder Hilfe brauchte. Ein Mitarbeiter kam zum Tisch, an dem der kleine Mischa sass. Dieser schien etwa sechs Jahre alt zu sein und war bereits mit seiner Arbeit fertig. Als der Lehrer seine Krippe sah, war er erstaunt, darin nicht ein Baby, sondern zwei zu finden. Mit Hilfe der Übersetzerin fragte er den Jungen nach dem Grund dafür. Der Kleine verschränkte seine Arme, betrachtete nachdenklich die Krippenszene vor sich und fing an, mit grossen Augen die Weihnachtsgeschichte nachzuerzählen.


Für einen kleinen Jungen, der diese zum allerersten Mal gehört hatte, berichtete er alles erstaunlich genau bis er zu der Stelle kam, wo Maria das Jesuskind in die Krippe legt. Hier fing Mischa an zu improvisieren. Er beschloss die Geschichte auf seine eigene Weise, indem er sagte: «Und als Maria das Baby in die Krippe legte, sah Jesus mich an und fragte, wo ich wohne. Ich erklärte ihm, dass ich keine Mama und auch keinen Papa habe und nirgendwo zu Hause bin. Da sagte Jesus, ich könnte bei ihm wohnen. Ich antwortete, das würde nicht gehen, weil ich doch kein Geschenk für ihn hätte wie die Weisen aus dem Morgenland. Aber ich wollte so gerne bei Jesus wohnen! Ich überlegte, ob ich nicht doch etwas hätte, das ich ihm schenken könnte. Mir fiel ein, ich könnte ihn ja vielleicht warmhalten. So fragte ich Jesus: «Wenn ich dich warmhalte, genügt dir dies als Geschenk?» Und Jesus erwiderte: «Das ist das beste Geschenk, das mir ein Mensch je gegeben hat». Da bin ich zu ihm in die Krippe geschlüpft, und Jesus hat mich angeschaut und gesagt, ich dürfte bei ihm bleiben, für immer.»


Als der Kleine seine Geschichte beendet hatte, bedeckte er das Gesicht mit den Händen und konnte kaum aufhören zu schluchzen. Dieser Waisenjunge hatte jemanden gefunden, der ihn niemals verlassen oder misshandeln würde. Jemanden, der für immer bei ihm bleiben würde!


Was Mischa erlebt hat, berührt mich. Und es ermutigt mich, genauso ehrlich und kindlich mit dem, was in meinem Leben schmerzt, mit Jesus ins Gespräch kommen. Es darf alles an die Oberfläche kommen, ... denn der Heiland ist geboren! Frohe Weihnachten!


* gekürzte und bearbeitete Version von «Für immer», Will Fish



ree

Claudia Knuchel ist Präsidentin von FRAUENzeit.

Sie ist verheiratet und wohnhaft in Oberbipp/BE. Ihr Erstberuf ist Pflegefachfrau HF und später folgten Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Theologie, Beratung/Seelsorge und Erwachsenenbildung.

 
 
 

Kommentare


bottom of page