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Ein Brief von Gott

Aktualisiert: 11. Dez. 2023

Eigentlich war der Brief für die Kinder vom Kindergottesdienst geschrieben. Aber beim Lesen stellt Christina Schöffler fest: Die Worte sind für mich!

Sonntagabend. Ich sitze müde auf dem Sofa und will eigentlich nur noch ins Bett. Aber ich kann mich nicht aufraffen. Meine Gedanken streifen durch den zurückliegenden Tag und bleiben an kleinen Begegnungen hängen. Mist. Ich habe die Freundin im Gottesdienst gar nicht gefragt, wie es ihr geht! Wo ich doch weiß, dass sie eine schwierige Zeit durchmacht. Siedend heiß fällt mir außerdem ein, dass ich seit Tagen auf die Gebetsbitte einer anderen Freundin, die eine schwierige Diagnose bekommen hat, nicht geantwortet habe. Und ich habe auch das Beten dafür vergessen! Ich entschuldige mich mit einer kurzen Sprachnachricht. Verspreche zu beten. Hoffe, ich vergesse

es nicht wieder. Seufzend richte ich noch ein paar Sätze an Gott. Sage ihm, was er ja sowieso schon weiß: dass ich an so vielen Ecken versage und einfach nicht weiß, wie ich es besser machen kann.


Berührender Moment

Neben mir liegt mein Notizbuch. Zwischen den Seiten leuchtet ein Umschlag. Ein Brief, den ich beim Kindergottesdienst bekommen habe. Dort habe ich ein bisschen ausgeholfen. Die Mitarbeiterin hat am Ende einer kleinen Andacht die Kinder eingeladen, die Dinge aufzuschreiben, für die sie sich schämen. Ein ganz privater Brief an Jesus. Eine Handvoll Schulkinder saß eifrig schreibend am Tisch. Es hat mich gerührt. Und ich kam gar nicht auf den Gedanken, mitzumachen. Als danach alle einen Antwortbrief bekamen, habe ich meinen nur zögernd eingesteckt. Dachte, der ist ja nicht für mich, sondern nur für die tollen Kinder, die hier ihre Herzen vor Gott geöffnet haben. Jetzt leuchtet mir das Kuvert entgegen. Ich öffne den Umschlag und lese darin:

Danke, dass du gerade so offen mit mir warst. Jedes Wort habe ich gehört und es ist mir zu Herzen gegangen. Du hast hohe Erwartungen an dich selbst. Und andere vielleicht auch. Ich liebe dich. Und all das Unvollkommene in dir (das da ist und immer da sein wird!) fülle ich einfach aus. Dafür hat mein Jesus doch am Kreuz bezahlt. Du darfst alles loslassen – deine Fehler, deine Schwächen, alles, was nicht so perfekt ist, wie du es gerne haben würdest. Ich spreche dich frei! ... Du kannst dich nicht anstrengen und besser werden. Das wird nicht funktionieren. Du kannst nur loslassen, mir vertrauen und mich lieben. Meine Liebe in dir kann alles verändern ... Ich liebe dich unendlich.

Dein Papa im Himmel.


Gott ist für mich

Der Briefbogen zittert leicht in meinen Händen. Die Worte kommen an. Ich glaube, sie sind für mich. Noch mehr: Ich glaube, Gott ist für mich! Er verteidigt mich mal eben gegen mich selbst. Gegen alles, was ich ihm entgegenhalte. Er sagt mir: Alles ist gut! Es ist vollbracht. Er ist nicht enttäuscht. Er kennt meine Begrenzung. Er rechnet fest damit, dass ich Dinge vergesse und Menschen übersehe, dass ich versage und schuldig werde. Ganz entspannt und froh spricht er mich frei! Und lädt mich ein, mit allen anderen Kindern Gottes am Tisch Platz zu nehmen und zu lernen was es bedeutet, ihm zu vertrauen und ihn zu lieben. Und all das Unvollkommene, das da ist, und immer da sein wird, füllt er einfach aus.

Das will ich ihm so gerne glauben.


Christina Schöffler ist Autorin aus dem Süden Deutschlands und lebt von Butterbrezeln, guten Büchern und Gottes Gnade.


Noch mehr Alltagsgeschichten von ihr gibt es in ihrem Blog denspatzinderhand.blogspot.com


Dieser Artikel ist als Teil der Kolumne „Grüße aus dem Alltag“ zuerst erschienen in JOYCE 4/23.


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